AM18 – Brief an Walter Gropius
Toblach, Samstag, 13. August 1910


[Postskriptum:] Was ist mit meinen Halsbandmustern ?? —

Samstag

Geliebter

Dein Blut . . . . und meines \?/? – Was glaubst Du, was ich leide – nur immer meine Sehnsucht nach Deiner Liebe – nach all dem Himmlischen, das Dir die Natur verliehen hat. Immer seh ich Dich im Wagen neben mir sitzen, mit Deinen gelben Augen – Deinem süßen kleinen gelben Schnurrbart – Bernstein – !


Und Dein ganzes edles Gesicht – so voll Liebe zu mir! – Bleib mir treu!

Eine unbekannte Macht lässt mich das bitten! Folge ihr. Was wissen wir von der Zukunft – leben wir auf sie zu! – Verzeih mir, dass ich nicht gleich zu Dir komme – und Dir Dein Leben aufbauen helfe – was mein innigster Wunsch wäre – nichts ist schöner als das Crescendo in einem Leben mit\zu/machen – (nur in einem geliebten) – aber ich kann nicht über Leichen gehen. – Meiner, liebe mich deshalb nicht weniger – – sei nicht muthlos – unsere Zeit wird noch

kommen. Und fürchte auch nicht[,] durch Deine Treue für \zu/ mir[,] neben dem Leben zu gehen – es kommt nicht auf die Quantität an – ! Schau, ich bin ja selig, dass ich mich für Dich aufgehoben hatte – glücklich bin ich, dass ich allem bis dahin aus dem Wege gegangen war – so konnte ich das Holdeste[,] Wichtigste – Höchste des Lebens in Deinen Armen lernen – was ich nie so empfunden hätte, wenn ich \vorher/ schon tief in das Glas der Sinnenfreuden geblickt hätte. – Fühle Dich als mein Mann – fühle Dich


als mir zugehörig – wie Du es vom ersten Augenblick an warst. Ich fühle mich als Dein Eigen. – Es kann nie anders werden. Ich liebe Dich! Warum schickst Du mir die Bilder nicht? – Ich brauche sie! – Nun eine Bitte! – leidet[,] wenn er Deine tägl.[ichen] Briefe sieht. Ich bitte Dich nun – kaufe Dir überseeisches Papier und schreibe mir Tagebuchartig – alle Deine Empfindungen – \genau so wie jetzt./[,] alles nieder und schick’ es an Montag an Frau p.[er] A.[dresse] Director etc. und Donnerstag an mich – so, dass ich officiell nur


einmal die Woche einen Brief bekomme. – Verstehst Du? Aber alles und immer schreiben und ein bissel kleiner, damit Du mehr drauf kriegst. – Schreibe mir über alles, was ich Dir schrieb.

[Postskriptum:] Überseeisches kann man 10 Bogen für 2 andre nehmen.


Komme auf jeden Fall nach München und lasse mich dort die poste rest.[ante] Adresse (näm[lich] die Adresse d. Post) A. M. 40 wissen. Dort müssen wir uns sehen[.] —

Ich umarme und küsse Deinen ganzen geliebten Körper[.]


Apparat

Überlieferung

, , , , ,

Quellenbeschreibung

3 Bl. (6 b. S.) – 2 Bl. Briefpapier mit dunkelblauem (, ) und Briefkarte mit orangenem () Monogramm (Zum Material von Alma Mahler) aus den stilisierten Initialen AMs in Prägedruck.

Beilagen

Umschlag, , Neubabelsberg bei | Berlin | Stahnsdorferstraße 83 | Herrn Walter Gropius; PSt. (lt. , S. 531, Nr. 112): TOBLACH 2 | 13 | 8 | 1 N | 10 | c; von WG mit einer 7. versehen (Zur Nummerierung von Alma Mahlers Briefumschlägen); fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an : „[13.8.10]“.

Druck

, S. 112, Anm. 87 und , S. 46, bei Anm. 132 (jeweils partielle Inhaltsangabe), , S. 874, bei Anm. 229 (partielle Inhaltsangabe) und S. 875, bei Anm. 233 (Auszug in engl. Übersetzung).

Korrespondenzstellen

Beantwortet durch WG45 vom 15. August 1910 (Dein Bernstein): Immer seh ich Dich […] mit Deinen gelben Augen – Deinem süßen kleinen gelben Schnurrbart – Bernstein und WG46 vom 15. oder 16. August 1910 (Blutsfragen): Dein Blut . . . . und meines \?/?

Datierung

Schreib- und Absendedatum: „[13].8.1910“ (, S. 112, Anm. 87 sowie , S. 46, Anm. 132 und S. 309), Übernahme dieser Datierung bei , S. 874, Anm. 227 und Anm. 229 sowie S. 875, Anm. 233.

Datiert durch AM und Poststempel: Samstag, 13. August 1910.

Übertragung/Mitarbeit


(Sunjung Kim)
(Elke Steinhauser)


A

Halsbandmustern – Gemeint sind Zeichnungen von Mustern, nach denen sich Halsbänder aus Perlen fertigen konnte.

B

unsere Zeit wird noch kommen. – Denkbar ist eine Parallele zu Aussage in einem Brief an vom 31. Januar 1902, in dem er einen Abend mit nach der Erstaufführung von dessen op. 50 in Wien (29. Januar 1902) mit zwiespältiger Bewunderung für den Komponisten als großen, aber auch kommerzorientierten Künstler verarbeitet hatte: „Kommen wird die Zeit, da die Menschen die Spreu vom Weizen gesondert erblicken werden – und meine Zeit wird kommen, wenn die seine um ist“ ( Nr. 18, S. 129).

C

Ursprünglich: mich.

D

Bilder – s. AM15 vom 9. August 1910: schicke Deine lieben Photos, WG44 vom 12. August 1910: Fotos und WG45 vom 15. August 1910: Bilder angekommen?

E

Gustav leidet übernimmt immer die Post (AMo3 vom 18. August 1910).

F

München – Uraufführung der von am 12. September 1910.

G

A. M. 40 – Chiffre, postlagernd, s. WG5 vom 17. Juli 1910.